Ein rastloser Fußballenthusiast ist 70
Geraer Matthias Müller ist in vielen Sätteln gerecht
Von Manfred Malinka
Fußball-Schiedsrichter ist der Geraer Matthias Müller seit 1971, da war er gerade 20. Am heutigen Freitag wird er 70 und ist, wenn nicht gerade Corona-Pause ist, immer noch in Sachen Schiedsrichter unterwegs. Der Zwötzener beobachtet talentierte Referees im Landesmaßstab und schätzt deren Leistung dann nach Spielschluss ein.
Als er seine Prüfung beim Zwötzener Günter Franz (heute 92) abgelegt hatte, wollte er sogleich sein erstes Spiel pfeifen. Doch die Partie Traktor Langenberg Junioren gegen Tiefbau Westvororte fiel sprichwörtlich ins Wasser. Es muss für den Jubilar kein schlechtes Omen gewesen sein, führte ihn doch seine Schiedsrichter-Laufbahn später bis in die größten Stadien Europas.
Von 1963 an ist Matthias Müller Mitglied der TSG Gera-Zwötzen und deren Nachfolgevereinen wie BSG Modedruck, TSV 1880 Zwötzen und 1. FC Gera 03 gewesen und zahlt heute beim ZFC Meuselwitz seinen monatlichen Beitrag. Sein erstes Spiel als Schiedsrichter bei den Männern war die Kreisklasse-Partie Wismut III – Westvororte und fortan ging es jedes Jahr eine Klasse höher. In der Bezirksklasse war Wismut Berga gegen Greika Greiz die Premiere, in der Bezirksliga Chemie Kahla gegen Chemie Jena. Das erste richtig große Erlebnis brachte der 18. März 1974, als der Geraer Referee sein erstes Spiel in der zweithöchsten DDR-Spielklasse leiten durfte. In Waldstadion Kaffeetälchen nahe Bad Salzungen kamen 3800 Zuschauer, um Kali Werra Tiefenort siegen zu sehen. In dieser Spielklasse verblieb Müller ganze zehn Jahre (350 Spiele), ehe die erste Begegnung der höchsten Liga mit Zwickau gegen Riesa anstand. Sicherlich kein Hochkaräter, aber Beobachter Herbert Streicher aus Crimmitschau schien zufrieden. So sehr, dass Matthias, anstelle der festgelegten fünf Spiele für Neulinge, gleich sieben bekam. Wismut Aue gegen Vorwärts Frankfurt war dann die nächste Oberliga-Partie, die zu leiten war, Müller war in der Endabrechnung der Referees starker Vierter. Übrigens war der allererste Einsatz in der höchsten Spielklasse eine Linienrichter-Aufgabe bei Chemie Böhlen, wohin er mit Bernd Stumpf (heute 80) fahren sollte. Doch der Jenaer kam nicht. Handys gab es damals noch nicht, einen fahrbaren Untersatz hatte der junge Schiedsrichter auch noch nicht. Und er wollte Schiedsrichter Kirschen und die Zuschauer an der Jahnbaude auch nicht warten lassen. Kurzerhand machte er sich auf nach Lusan zu seinem Freund Gerhard Striegel, der im Vorjahr leider verstorben ist. Er lieh sich dessen Lada aus und düste nach Böhlen. Das Spiel konnte rechtzeitig beginnen.
Nach der Wende gelang dem gelernten Maurer und vielseitigen Handwerker als Linienrichter der Sprung ins internationale Geschäft, er wurde FIFA-Linesman, wie es offiziell hieß. Fünf Jahre lang kam er in den Genuss, bei Spielen wie in Lissabon 1994, Benfica gegen Parma, vor 123 000 Zuschauern aktiv als Linienrichter, heute heißt das Schiedsrichter-Assistent, im Stadion dabei zu sein. Der Mitbegründer des Geraer Oldie-Turniers war auch in Barcelona gegen ZSKA Moskau, sowie bei 52 Bundesliga- und bei 37 Zweit-Bundesligaspielen an der Linie. Der Geraer kam auf die meisten Einätze unter den DFB-Schiedsrichtern. Nebenher war Müller acht Jahre Abteilungsleiter Fußball in Zwötzen, zehn Jahre Kreis- und 20 Jahre Bezirks-Schiedsrichterobmann. Große Verdienste erwarb sich der heutige Jubilar um den Förderverein Kinder- und Jugendfußball, dessen Vorsitzender er viele Jahre war. In dieser Funktion akquirierte Müller Sponsoren, pfiff selbst mit und war in der Vorbereitung des Events der Mann, der am längsten in der Halle war. Bekannte Mannschaften, vor allem aus dem Westen Deutschlands, kamen dank der Kontakte des einstigen Bundesliga-Linesmans nach Gera.
Neben dem Fußball hatte der rastlose Fußballenthusiast natürlich auch ein Privatleben. Ein gefühltes halbes Menschenleben ist er mit seiner Partnerin Edeltraut zusammen, die er 2013 dann endlich heiratete. Die Frau an seiner Seite ist etwas älter als ihr Partner, pflegte lange Haus und Hof, vor allem aber musste sie zu DDR-Zeiten immer einen weißen Kragen in die Schiedsrichterhemden ihres Mannes einnähen. Zu kaufen gab es nur glattschwarze Hemden und mit weißem Kragen war Vorschrift. Heutzutage nicht mehr vorstellbar!
Foto: Der Geraer Matthias Müller (links) mit seinen jahrelangen Mitstreitern beim Oldieturnier Adolf Prokop aus Erfurt und Peter Weiße aus Könitz (v.l.). Foto: Manfred Malinka
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